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Gefährdung kommunaler Strukturen durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz

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Die Rohstofflüge

Die strategischen Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Ressourcenschonung und Klimaschutz werden von den kommunalen Unternehmen in vollem Umfang mitgetragen, denn eine weitsichtige Wirtschaftspolitik sieht den zukünftigen Rohstoffbedarf und die zunehmenden Schwierigkeiten für eine dauerhafte Rohstoffversorgung.

Daher hat der Aufbau einer langfristigen und funktionsfähigen Struktur für die industrielle Güterproduktion oberste Priorität. Hier ist der Staat in seiner Lenkungsfunktion gefordert. Dabei kommt der Abfallwirtschaft, d. h. der Erfassung von Abfällen und Verwendung der in Abfällen enthaltenen Rohstoffe in nachgelagerten Materialkreisläufen, eine hohe Bedeutung zu.

Der Entwurf des Gesetzes trägt der wirtschaftspolitischen Notwendigkeit jedoch in keiner Weise Rechnung, er ist einseitig auf gewerbliche Sammlung fixiert. Damit setzt er die bisherigen Schwachstellen fort.

Das Bundesministerium für Umwelt trägt vor, dass der Referentenentwurf klar auf die gewachsenen kommunalen Entsorgungsstrukturen, das Prinzip der Daseinsvorsorge und die bestehenden Überlassungspflichten Rücksicht nimmt und in enger Abstimmung mit Kommunen erfolgt. Dies sind fadenscheinige Lippenbekenntnisse, der Gesetzentwurf ist eine deutliche Gefährdung von kommunalen Strukturen und gesteuert von privatwirtschaftlichen Interessen. Überlassungspflichten sind nur formal festgeschrieben, Umgehungstatbestände sind definiert, das Gesetz ist, weil interessengeleitet, eine deutliche Kursänderung zu Lasten kommunaler Zuständigkeiten, ihres Anlagevermögens und der Gebühren unserer Bürger. Überlassungspflichten werden unterlaufen, das Gesetz beschädigt die organisch gewachsenen kommunalen Strukturen.

Zentraler Begriff dieses Gesetzes ist die gewerbliche Sammlung, sie ist das Einfallstor in die originäre Aufgabe der Daseinsvorsorge. Haben kommunale Träger in den vergangenen Jahrzehnten im Vertrauen auf Gesetzgeber die Gebühren der Bürger in hochwertige Anlagen und Sammelsysteme investiert, werden diesen leichtfertig die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Gewerbliche Sammlungen brauchen nicht genehmigt, sondern nur angezeigt zu werden. Ihre Zulassung ist niedriger als die Gründung eines Frisiersalons. Folgen sind Leerkapazitäten in Anlagen und Verschiebungen zulasten kommunaler Gebührenhaushalte.

Über Jahrzehnte aufgebaute und aufeinander abgestimmte Systeme werden willkürlich zerschlagen. Wir haben das deutlich vor einigen Jahren erfahren, als gewerbliche Sammler in die kommunale Altpapiersammlung eingebrochen sind. Erst ein Urteil des BVerwG und der weltweite konjunkturelle Einbruch haben diese Rosinenpickerei zu Lasten der Gebührenzahler beendet. Für die betroffenen Kommunen war damit seinerzeit ein Erlöseinbruch verbunden, vertragliche Verpflichtungen konnten nicht mehr eingehalten werden. All dies musste nach dem Verfall der Papiererlöse, als diese Sammlungen eingestellt wurden, kurzfristig wieder aufgebaut werden. Für eine dauerhafte Sicherung von Rohstoffquellen ist ein solches System fahrlässig, für die Aufgabe der Daseinsvorsorge gefährlich.

Denn an dieser Stelle muss jedem deutlich gemacht werden: dauerhafte Sammelsysteme, die unabhängig von Marktzyklus auf Dauer stabil funktionieren, gehören in die Zuständigkeit von Kommunen. Nur diese haben beim Bürger eine hohe Glaubwürdigkeit, nur diese können die Bürger motivieren, sich an den Systemen zu beteiligen.

In der Bundesrepublik gibt es im Übrigen seit mehr als 20 Jahren Erfahrungen mit der haushaltsnahen gewerblichen Sammlung. Diese sind entstanden aus der Verpackungsverordnung und werden betrieben von zwischenzeitig 9 Dualen Systemen. Die Verpackungsverordnung wird in Kürze zum 6. Mal novelliert weil das System nicht auf eignen Füssen stehen kann. Die Systeme arbeiten im Grenzbereich von Regeln. Sie werden von den Bürgern nicht verstanden.

Die Leistungsquoten der Systembetreiber kommen auf sehr ominösem Wege zustande, nach Recherchen der dt. Umwelthilfe ist ein Vollzug durch die zuständigen Bundesländer nicht möglich, die erreichten Quoten sind nicht kontrollierbar. Die Systeme sind wegen ihrer Komplexität außerhalb staatlicher Kontrolle, die Ohnmacht der politisch Verantwortlichen in Städten und Gemeinden zeigt welche Eigendynamik diese Systeme zwischenzeitig entwickelt haben. Ihre wirtschaftspolitische Positionierung liegt im kritischen Bereich des Kartellrechts.

Die Leistungen der Systembetreiber sind dauerhaft grenzwertig (Material, Tariflöhne, Logistik) und unzuverlässig, mit fallenden Marktpreisen in den Entsorgungswegen -bis 2005 war das die Deponie, seither ist es die Verbrennung -wird auf die Sortierung weitgehend verzichtet. Die meisten Materialanteile gehen den gleichen Entsorgungsweg wie der kommunale Haus- und Gewerbemüll. Das Überleben der Systeme erfolgt bisher durch Leistungskürzungen. Das System ist dauerhaft nicht in der Lage, die zugesagten Leistungen einzuhalten und die benötigten Finanzmittel zu erwirtschaften. Wegen zunehmender Finanzierungslücken sind die Systeme seit Jahren existenziell gefährdet. Statt sie auf ihre originären Aufgaben zu verpflichten und sicherzustellen, dass die seit mehr als 20 Jahren bereits übertragenen Aufgaben bewältigt werden, und dieses dann auch zu kontrollieren und zu sanktionieren, gehen die Pläne des BMU dahin, ihnen jetzt auch noch die Zuständigkeit für die geplante Wertstoff-Tonne zu übertragen.

Damit und der zusätzlichen Übertragung von stoffgleichen Mitverpackungen wird grenzwertiges Marktverhalten honoriert und verlässliche, dauerhaft funktionierende kommunale Strukturen gefährdet. Verpackungsverordnung ist heute bereits nicht mehr lebensfähig. Mit der Zuständigkeit der Wertstofftonne sollen Finanzierungsprobleme der Dualen Systeme kaschiert und die Kommunen verpflichtet werden, für falsche Systembetreibung zusätzlich zu zahlen. Neben Gebührenerhöhung durch Minderauslastung der bestehenden Anlagen, wird der Bürger durch die Verpackungsverordnung zum 3. Mal zur Kasse gebeten.

Dieses Gesetz ermöglicht es weiterhin, dass der Preis als maßgeblicher Leitparameter den Entsorgungsweg dominiert. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich im Bereich der nicht andienungspflichtigen Abfälle (DSD und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle) gezeigt, dass eine Sortierung von Wertstoffen kaum noch stattfindet. Zahlreiche Sortieranlagen haben ihren Betrieb eingestellt, weil das niedrige Preisniveau in Verbrennungsanlagen eine zusätzliche Sortierstufe nicht mehr zulässt.

Die fallende Preisentwicklung in der Verbrennung wird auf mittlere Sicht anhalten, die Sortierung von Abfällen wird mit Ausnahme von Metallen entfallen.

Der niedrigste Preis bestimmt den Entsorgungsweg, die in den Abfällen enthaltenen Rohstoffe werden bestenfalls energetisch verwertet bzw. ohne Kontrolle exportiert. Damit ausgeschaltet wird gleichzeitig das Primat der Abfallpolitik in Form der 5­stufigen Abfallhierarchie. Die umweltpolitischen Ziele sind der Politik und einem Vollzug aus den Händen genommen. Die systemische Betrachtung des Gesetzentwurfes macht deutlich, dass die Verfasser in keiner Weise die Nutzung von Abfällen als Rohstoff-Substitut in Betracht gezogen haben. Vielmehr machen die Verfasser an diesen Stellen deutlich, dass trotz fadenscheinigen Lippenbekenntnissen für die Beibehaltung von Überlassungspflichten es darum geht, funktionierende, gewachsene Bereiche der Daseinsvorsorge für die private Betätigung zu öffnen. Die Risiken zyklischer Marktentwicklungen verbleiben dennoch bei den kommunalen Gewährsträgern.

Die kommunalen Entsorgungsträger fordern nachdrücklich die Zuständigkeit für alle Abfälle und Wertstoffe aus privaten Haushaltungen einschließlich der sonstigen gemischten Siedlungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen. Soweit das Gesetz eine Rohstoffwirtschaft aus Abfällen ernsthaft verfolgt, kann das nur über kommunale Träger erfolgen, denn nur kommunale Träger haben Zugang zum Bürger, haben keine Eigeninteressen und betreiben diese unabhängig von Marktentwicklungen.

Autor: Dieter Gerlach, Stadtwerke Aschaffenburg, Werkstrasse 2, 63739 Aschaffenburg, Tel. 06021/391-390, Dieter.Gerlach@stwab.de