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Der Wille zur Wende

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Thomas König, die Forderung nach einem großen Energiekonzept und die Rolle seiner Müllverbrennung in Geiselbullach


Quelle: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe Dachau vom 15. Juli 2011
Foto: (© www.joergensen.com)

Dachau/Geiselbullach – Thomas König wird auf der Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung in einer Woche in Dachau zur Energiewende fragen: „Machen Sie mit?“ Er wird sich aus gutem Grund gezielt an den Vertreter der Dachauer Stadtwerke wenden: „Beteiligen Sie sich an der Idee eines gemeinsamen Energiekonzepts für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau, mit dem Ziel, den Anteil der autarken Versorgung auf ein Maximum zu steigern?“

König leitet seit knapp elf Jahren das gemeinsame Unternehmen für Abfallwirtschaft (GfA) an der Grenze der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck. Beide halten sämtliche Anteile an dem kommunalen Unternehmen, das ein Abfallheizkraftwerk als zentrale Aufgabe betreibt. Es erzeugt bereits Strom und liefert Fernwärme an die Nachbargemeinden Olching und Bergkirchen, bald schon bis zum Ortsteil Günding, der ganz nah an Dachau liegt. König hätte die Leitungen auch gerne dorthin gelegt. Die Stadtwerke lehnten ab. Das war eine empfindliche Niederlage.

Mit dem Einsatz von Biogas ließe sich die Stromproduktion massiv erhöhen.

Martin Runge ist Kreisrat der Grünen in Fürstenfeldbruck, war viele Jahre Mit­glied im Verwaltungsrat der GfA und ist Fraktionsvorsitzender seiner Partei im bayerischen Landtag. Auch er stellt die Frage nach der künftigen Organisations­form eines solchen Energieprogramms. Die Landkreise können seiner Ansicht nach nicht zuständig sein, weil die Energieversorgung Aufgabe der Gemeinden und Städte ist. Er will wie Klaffki die Bürger einbeziehen.

Schon seit Jahren verfolgt König den Umbau seines Unternehmens zu einem regionalen Energieversorger, der nicht nur Wohnhäuser wärmt, sondern auch großen Industrieanlagen Prozesswärme für die Produktion anbietet. Deshalb hat der Vorstand ein originäres Interesse an den Chancen, welche die Energie-politik des Bundes und der Ausstieg aus der Atomkraft ihm eröffnet. Seine Vision sieht so aus: „ Alle 15 Anlagen für Müllverbrennung im Freistaat Bayern werden zu Zentren regionaler Energieversorgung. „Denn die Standorte sind schon politisch und gesellschaftlich akzeptiert.“ Ganz im Gegensatz zum Aufbau neuer Infra­struktur mit Solaranlagen oder auch der Windkraft. Außerdem könnten Verbren­nungsanlagen ideal ausgebaut werden.

Am Beispiel Geiselbullach: Mittels moderner Gasturbinen-Technologien ließe sich die Stromproduktion massiv erhöhen. Außerdem böte sich der Aufbau ei­ner Biogasproduktion aus Bioabfall an. Genau diese Chancen lässt König im Auf­trag der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck auf ihre Machbarkeit prüfen. Er betont zwar, dass dies „ergeb­nisoffen“ geschehen soll. Diese Ein­schränkung unterlegt er mit einem klei­nen Lächeln. Denn König ist sicher, dass Anlagen wie die seine gebraucht werden, um die Grundlastversorgung mit Energie zu gewährleisten; also die Verfügbarkeit gerade für die Wirtschaft.

Als Ziel dieser Kooperation peilt König ein gemeinsames Energiekonzept für beide Landkreise an. Er weiß bereits den Dachauer Kreistag sowie das Landratsamt Dachau hinter sich. Pressesprecher Gerhard Weber weist auf die einstimmig gefassten Beschlüsse des Kreistags hin, die GfA zum Energieversorger ausbauen zu wollen. Die stehen allerdings unter dem Vorbehalt eben dieser erfolgreichen Machbarkeitsstudie. Weber sagt auch, dass sich die Dachauer mit dem Kreistag in Fürstenfeldbruck darin einig sind. Für die Dachauer SPD-Sprecherin Marianne Klaffki ist diese Kooperation „der einzig mögliche Weg“. Sie teilt Königs Ansicht, dass sich beide Landkreise in einer geradezu idealen Position befin­den“, weil sämtliche Unternehmen der Energieversorgung in beiden Landkrei­sen in kommunalen Besitz sind. „So muss es auch bleiben“, sagt sie. Sie for­dert zusätzlich Möglichkeiten, Bürger an solchen Kooperationen zu beteiligen.

Martin Runge ist Kreisrat der Grünen in Fürstenfeldbruck, war viele Jahre Mit­glied im Verwaltungsrat der GfA und ist Fraktionsvorsitzender seiner Partei im bayerischen Landtag. Auch er stellt die Frage nach der künftigen Organisations­form eines solchen Energieprogramms. Die Landkreise können seiner Ansicht nach nicht zuständig sein, weil die Energieversorgung Aufgabe der Gemeinden und Städte ist. Er will wie Klaffki die Bürger einbeziehen.

Mit dem Einsatz von Biogas ließe sich die Stromproduktion massiv erhöhen.

Außerdem kennt Runge die Geschich­te der GfA und deren teils waghalsige Strategien, Abnehmer für die Fernwär­me zu finden. Er erinnert an die Sasag­ Affäre, als die Politik vor etwa 25 Jahren beinahe erlaubt hätte, dass ein Alumini­umhersteIler sich direkt neben der Müll­verbrennungsanlage niederlässt, um des­sen Abwärme für die Produktion zu ver­wenden. Bürgerinitiativen verhinderten dieses finanziell lukrative Vorhaben. Runge will auch keinen weiteren Ver­kehr durch den Ort Geiselbullach füh­ren, bloß um eventuell eine Biogasanlage mit Material zu versorgen. Deshalb sagt der Grünen-Politiker: Die Nutzung muss einen Sinn machen. „Sie muss aus ökolo­gischer Sicht wünschenswert sein.“

Darauf pocht Lothar Rausch vom Öko­institut Freiburg-Darmstadt-Berlin, ei­ner der prominentesten Beratungsorgani­sationen der Umweltpolitik in Deutsch­land. Rausch hält Fernwärme für eine der besten ökologischen Formen der Energieversorgung, vorausgesetzt, sie wird durch erneuerbare Quellen erzeugt. Also: Biogas oder Holzschnitzel, aber nicht Öl oder Kohle. Rausch befürwortet die Abwärme aus Müllverbrennung. Er bezeichnet es als unsinnig, diese Energie verpuffen zu lassen, zumal da die techni­schen Standards solcher Anlagen in Deutschland sehr hoch seien.

Die politische Entscheidung in den maßgeblichen Gremien hängt letztlich davon ab, ob sich die beiden größten Energieunternehmen der Region beteili­gen: die Stadtwerke in Fürstenfeldbruck und in Dachau. Und mit ihnen die übri­gen lokalen Energieunternehmen der Landkreise. Ohne Dachau wäre somit ein regionales Energiekonzept, wie es Kö­nig vorschwebt, nicht zu realisieren. Denn dazu muss unter Umständen in Gei­selbullach investiert werden. Bei Fürsten­feldbruck ist er sich sicher. Die Stadtwer­ke dort nehmen schon 100 Prozent seines Stroms ab, und sie haben sich an einem gemeinsamen Unternehmen zum Ausbau des Fernwärmenetzes beteiligt. Und Dachau? „Nichts. Die Stadtwerke inves­tieren bundesweit in Windkraft bis hin zu Kohlekraftwerken in Nordrhein-West­falen.

Im Mai 2010 erklärten sie auf ein for­melles Angebot von Thomas König zur Abnahme von Fernwärme offiziell, dass die Preise nicht marktfähig seien. Ein weiteres Problem ist ihrer Sicht nach die Entfernung nach Geiselbullach. Die Tras­se wäre gut acht Kilometer lang, auf die­ser Strecke entstünden erhebliche Wär­meverluste von etwa einem Viertel bis ei­nem Drittel der zu erwartenden Wärme­abgabe. Interessanterweise lässt sich der gesamte Flughafen München seine Ener­gie vom 13 Kilometer entfernten Biomas­sekraftwerk in Zolling anliefern.

Vor allem aber hat sich die Energiepoli­tik komplett geändert. Die Abkehr von der Atomkraft ist nach Einschätzung von Experten nur möglich, wenn viele de­zentrale Versorgungseinheiten entste­hen. Für König und die Politik in Dachau wie auch Fürstenfeldbruck geht es schon längst nicht mehr darum, ob ein Unter­nehmen für sich allein einen lukrativen Einzelweg findet, sondern um die gemein­same Zukunft hin zur Energiewende.

Deshalb haben die Naturschützer bei­der Landkreise kürzlich eine Allianz für eine gemeinsame Energiepolitik der Kommunen gebildet. Ihre Kernforde­rung lautet: Die Stadt Dachau muss sich an das Fernwärmenetz der GfA anschlie­ßen. Deshalb beraten die Grünen im Kreistag darüber, ob sie nicht einen An­trag einbringen sollen, der die Debatte um die Dachauer Stadtwerke neu auf­rollt. Fraktionsvorsitzende Marese Hoff­mann sagt: „Ich will erreichen, dass die Stadtwerke vom Landkreis offiziell auf­gefordert werden, sich an der GfA und an einem gemeinsamen Energiekonzept zu beteiligen.“

Grüne fordern gemeinsames Energiekonzept für GfA und Stadtwerken Dachau.

Aus der Sicht eines maßgeblichen Da­chauer Politikers würde diese Diskussi­on im Dachauer Kreistag sicher sehr spannend. Oberbürgermeister Peter Bür­gel (CSU) ist für die Stadtwerke verant­wortlich und vertritt gleichzeitig den Landkreis im Verwaltungsrat des kom­munalen Unternehmens in Geiselbul­lach. Vergangenes Jahr hatte er seine Stadtwerke in der Ablehnung der GfA­ Offerte gestützt.

Sein Fraktionsvorsitzender im Kreis­tag, Wolfgang Offenbeck, ist ein Experte in Sachen Fernwärme. Denn seine Ge­meinde Karlsfeld darf als Vorreiter gelten. Offenbeck sagt: „Es ist extrem unbe­friedigend, wenn die Wärme in Geiselbul­lach zum großen Teil ungenutzt ver­pufft.“ Aber er weist auf einen grundle­genden Fehler in der Energiepolitik Bay­erns hin. Die fördert alles, nur nicht den Ausbau der Leitungen für Fernwärme­netze. Deshalb sagt Offenbeck auch: „Die politische Forderung der Zeit ist die staatliche Unterstützung der Fern-und Nahwärme.“

Am Freitag, 22. Juli, auf der SZ-Podi­umsdiskussion in Dachau fragt Thomas König: „Machen Sie mit?“ Anders ge­fragt: Wie steht es um den gemeinsamen politischen Willen bis hinauf zur bayeri­schen Staatsregierung?

Sämtliche Beiträge zur Serie über die Chancen für eine Energiewende im Land­kreis Dachau lesen Sie im Internet unter www.sueddeutsche.de/Dachau.

SZ-Forum zur Energiewende

Ökostrom finden alle gut. Die Energie­wende kommt, aber ihre Umsetzung im Landkreis Dachau wirft viele Fragen auf. Deshalb veranstaltet die SZ Dachau ein Forum vor Ort: .Böse Kernkraft, gute Windkraft – schaffen wir die Energiewen­de?“. Experten und Publikum diskutie­ren am Freitag, 22. Juli, im Ludwig-Tho­ma-Haus, Augsburgerstraße 23, in der Dachauer Altstadt über den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft. Auf dem Po­dium sitzen: der Haimhausener Bürger­meister Peter Felbermeier (CSU), Gerald Nübel, technischer Leiter der Stadtwer­ke Dachau, und Thomas König, Vorstand der GfA, Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreis Fürsten­feldbruck und Dachau. Zusammen mit Herbert Barthel, Leiter des Energierefe­rats des Bundes Naturschutz in Bayern, und Wolfgang Schöllkopf, Leiter der Ab­teilung Technik für Energiesysteme und Erneuerbare Energien beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energiefor­schung, gehen sie der Frage nach, welche Rolle Dachauer Kommunen, Energie­versorgungsunternehmen sowie Bürger und Verbraucher für eine gelungene Ener­giewende spielen.

Die Veranstaltung be­ginnt um 20 Uhr.

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